Kollegiale Führung – die andere Hierarchie (Teil I)

Kollegiale Führung – die andere Hierarchie (Teil I)

Grafik: Personen, die in viele Richtungen miteinander vernetzt sind
© iStock.com/aelitta

Kollegiale Führung ist ein Führungs- und Organisationsmodell von Bernd Oestereich und Claudia Schröder. Es basiert u. a. auf dem Prinzip der Selbstorganisation und der Soziokratie (Oestereich / Schröder 2017 und 2020).

Im Kern meint Kollegiale Führung: Die Führungsaufgaben werden auf viele Menschen verteilt. Führung ist zu wichtig, um sie wenigen Führungskräften zu überlassen. In der Kollegialen Führung bestimmen dann Viele über Viele. Was heißt das konkret?


Das Modell "Kollegiale Führung" beteiligt alle Mitglieder einer Organisation an den Führungs­aufgaben. Voraussetzung ist: Die Menschen wollen die Führungsaufgabe(n) übernehmen. Es geht darum, dass jede:r ihre/seine Gaben und Potentiale in die Gestaltung der Zusammenarbeit und der Dienstleistungen einbringen kann. Weil wir so verschieden begabt und auch die Interessen unterschiedlich sind, werden die Führungsaufgaben unterteilt und in verschiedene Pakete gepackt. So übernimmt die eine Kollegin die Dienstplanung und der andere Kollege zieht sich die Aufgabe, über Einstellungen zu entscheiden.

Die Beispiele machen deutlich: Kollegiale Führung verlagert die Führungsarbeit weg von einer "Chefin" hin zu mehreren Kolleg:innen. Jede:r, die/der Führungsaufgaben übernommen hat, entscheidet nun für alle anderen. Und die anderen Kolleg:innen sind an die getroffenen Entscheidungen gebunden.

Es ist ein Missverständnis, wenn unter Kollegialer Führung verstanden wird, alle Teammitglieder entscheiden über alles. Die Kollegiale Führung geht stattdessen von verteilter Führungsarbeit aus. Das heißt konkret: verteilter Entscheidungsmacht. Die jeweilige Rolleninhaberin trifft die Entscheidung.

Im Unterschied zum alten Modell entscheidet aber das Team, wer welche Rolle, Aufgabe und Entscheidungsmacht haben. Und die Entscheidungsmacht einzelner Kolleg:innen wird miteinander ausgehandelt. Trotzdem kann sich im Alltag eine Entscheidung, die eine Kollegin getroffen hat, für mich ebenso gut oder schlecht anfühlen, wie früher beim "Chef". Und doch gibt es einen Unterschied: Die Kollegin hat vom Team (also auch von mir) den Auftrag, diese Aufgabe auszuüben. Und sie hat sich mit Übernahme ihrer Rolle verpflichtet, ihre Entscheidungen im Team transparent zu machen und vor dem Team zu verantworten.  

Kollegiale Führung heißt also:

  • weg von einer Top-Down-Hierarchie hin zu einer Hierarchie von der Seite.
  • weg von einer Hierarchie weniger Führungskräfte hin zu einer Hierarchie der Vielen.

In der Kollegialen Führung geht es nicht hierachielos zu - jede Organisation braucht eine Hierarchie! Es ist aber die Frage zentral: Welche Art von Hierarchie hat eine Organisation? Und der Begriff Hierarchie bedeutet übersetzt aus dem Griechischen: Heilige Ordnung!

Eine kollegiale Ordnung ist auch eine Ordnung. Diese andere Ordnung braucht keinen Heiligenschein aufgesetzt zu bekommen. Sie ist weder besser noch vollkommen. Und gleichzeitig ist sie darauf angewiesen, von den Organisationsmitgliedern anerkannt zu werden. Diese Anerkennung zeigt sich z.B. darin, dass die Kolleg:innen wertschätzend mit denen umgehen, die es wagen, Führungsaufgaben zu übernehmen und Entscheidungen für und über andere zu treffen. Auch und gerade dann, wenn eine Entscheidung nicht ins eigene Konzept passt. Kollegiale Führung ist darauf angewiesen, dass sich viele Kolleg:innen mit den eigenen Interessen und Gaben in diese andere Hierarchie einbringen!

 

Literaturhinweise:

  • Oestereich, Bernd/Schröder, Claudia (2017): Das kollegial geführte Unternehmen. Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen, München: Vahlen.
  • Oestereich, Bernd/Schröder, Claudia (2020): Agile Organisationsentwicklung. Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen, München: Verlag Franz Vahlen.

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